Covid-19 Zeiten - das Immunsystem stärken
(Werner Schallhart, Geschäftsführer eufag führt das Gespräch mit Frau Mag. Elke Greil-Valentinitsch, Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin)
Hallo Elke, wir kennen uns ja schon lange und können per du sein:
Ja, gerne Werner, das freut mich. Zuerst einmal ein Dankeschön für die schon seit Jahren anerkennende und wertschätzende Zusammenarbeit. Damit fällst du unter jene Kategorie von Menschen, die durch ihre Art und Weise stärkend wirken. Um gleich mit der Türe ins Haus zu fallen: Untersuchungen konnten zeigen, dass gute soziale Kontakte, ein freundliches, achtsames und verständnisvolles Miteinander, sich förderlich und regulierend auf unser Immunsystem auswirken können, ebenso erbauliche Gefühle wie Heiterkeit und Humor, sich für etwas begeistern zu können und Dankbarkeit. Damit hätten wir den Einstieg in das Thema wohl schon geschafft.
Dich als Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin gefragt, wie geht es dir in dieser Corona-Zeit?
Du hast mich vor Jahren als optimistischen Menschen kennengelernt. Den Optimismus habe ich mir in dieser herausfordernden Zeit, Gott sei Dank, bewahren können. Ich bin ein gläubiger Mensch und vertraue dem Leben und diese Einstellung hilft mir nicht nur in dieser Situation sehr.
Als Psychologin bin ich manchmal klar im Vorteil und darf die eine oder andere erschlossene bzw. erworbene Methode, wie man „ober dem Wasser“ bleiben kann, gleich bei mir selbst anwenden. Obwohl man gerade bei kürzeren oder längeren „Tauchgängen“ aus der Tiefe viel aus sich herausholen und neue Fähigkeiten und Fertigkeiten erschließen kann… Eine gute Mischung soll es sein für ein anregendes, entwicklungsreiches Leben.
Herausfordernde Situationen geben uns im individuellen und gesellschaftlichen Bereich stetig aufs Neue die Chancen - sofern wir uns nicht davor verschließen - reifer, bewusster, umsichtiger und dankbarer zu werden.
Was denkst du, was gerade mit uns passiert?
Ich denke, dass sich die Mehrheit der Menschen höchst verunsichert fühlt, weil so viele unterschiedliche Meinungen darüber, was jetzt gerade gut oder weniger gut für uns ist, „hereinprasseln“. Viele finden in dieser Zeit den Mut nicht mehr, ihre eigenen Gedanken über das Geschehen oder was ihnen guttun würde, mitzuteilen. Sowieso wissen „es“ andere „Experten“, ausgebildete wie Autodidakten, besser. Wir sollten im Kopf behalten, dass unser Körper und unser Leben jeweils uns selbst gehört. Diese Freiheit sollten wir jedem Menschen zugestehen, sie ist schließlich ein Menschenrecht.
Mit Unsicherheiten umzugehen, erzeugt bei Menschen, die wenig Vertrauen ins Leben haben, eher Stress. Unter Stress wiederum schüttet der Körper andere Botenstoffe aus als in einem entspannten oder bestenfalls glücklichen Zustand und wir werden anfälliger für Krankheiten. In guten, glücklichen Situationen, steigt unser Serotonin-Spiegel und wenn wir noch einen geliebten Menschen oder ein geliebtes Haustier herzen, zudem unser Oxytocin-Niveau, was Körper, Geist und Seele aufblühen lässt. In Stressphasen hingegen steigt die Cortisol-Ausschüttung an. Wenn sich ein Mensch ständig in hoher Alarmbereitschaft befindet – und hierbei unterscheidet der Körper nicht zwischen Vorstellung und Wirklichkeit – wird unser Immunsystem geschwächt. Das Kunststück wäre, besonders in Krisenzeiten ruhig, besonnen und vor allem liebe- und verständnisvoll zu bleiben.
Die Leute sind oft schwer enttäuscht, wenn der eine oder andere Mensch, der ihnen am Herzen liegt, anders denkt und die Dinge anders betrachtet. Die Reaktionen reichen von Ignoranz bis hin zu Streit und Trennung, meistens nur eben nicht, den anderen so sein zu lassen, wie er ist - ich erinnere - jedes Leben und jeder Körper gehört sich selbst. Von diesem Standpunkt aus lernt jeder am besten. Manche glauben, den anderen „zu seinem eigenen Glück und Besten“ zu etwas Bestimmtes überreden oder zwingen zu können, was in Wahrheit eine Missachtung des Mitmenschen und dessen Entwicklungsstadiums darstellt.
Jeder soll an seinen Sichtweisen, Stärken und Schwächen und den daraus folgenden Konsequenzen wachsen und reifen dürfen – auch wenn das Zusehen manchmal schwerfällt. Wir können uns nur dann einbringen, wenn jemand sich für alternative Sichtweisen öffnet und diese aus eigenem Wunsch annehmen, zumindest sich ansehen, möchte. Wir sollten uns als Gemeinschaft, als Menschheit, ganz bewusst in diese Richtung weiterentwickeln wollen. Jeder soll für sich selbst eine Meinung haben und damit Erfahrungen sammeln dürfen. Mögen bzw. lieben können wir uns ja dann hoffentlich trotzdem.
Gerade durch unterschiedliche Betrachtungsweisen lassen sich Horizonte erweitern. So verstehe ich vielleicht, wo der Mitmensch sich gerade befindet, was er sieht und was diese Sicht mit ihm oder aus ihm macht. In Wahrheit bietet er dem „Weltenraum“ ein Lehrbeispiel, was funktioniert und was nicht funktioniert. Für mich ist es gut, sich um die Sichtweisen anderer zu erweitern. Dabei soll jeder sagen dürfen, was er denkt und fühlt und die jeweilige „Wahrheit“ sollte jedem zumutbar sein.
Besonders im wissenschaftlichen Bereich, vor allem zum Thema Covid-19, sollte es viel transparenter zugehen – vor allem im Bereich der Berichterstattung. Ich wünsche mir jedenfalls, dass immer mehr Leute wieder von der Angst in die Kraft zurückfinden, ins Vertrauen kommen und lernen, mehr und mehr selbst zu denken. Dem eigenen Selbst zu vertrauen, ist eine große Kraft.
Es haben sich Glaubensgruppen gebildet und eine jede meint über Corona – über die Gefährlichkeit und Ungefährlichkeit, Behandlungen, etc. bescheid zu wissen
Es ist jedem zu raten, mutig zu sein und selbst zu denken. Gerne schaue ich genauer hin, wenn Experten bestimmte Inhalte vortragen, generell, welche Meldungen bzw. Meinungen an uns herangetragen werden. Um ein größeres Bild generieren zu können, genehmige ich mir Meldungen aus unterschiedlichen Quellen, aus dem Mainstream sowie aus der alternativen Berichterstattung, und erstelle mir eigenverantwortlich eine eigene Meinung. In einer Demokratie sollte jeder Mensch frei denken und für sich entscheiden dürfen.
Die Leute, die in meine Praxis kommen, leiden teilweise dramatisch unter den jetzigen Maßnahmen und haben oft große Angst, einerseits vor einer Corona-Erkrankung, andererseits vor den Auswirkungen der Corona-Maßnahmen und, weil sie keine Vorstellung haben, wie es zukünftig weitergehen soll. Glücklicherweise kenne ich niemanden, der an dieser Erkrankung verstorben ist.
Alle reden von Gesundheit und Gesundbleiben - wie geht das?
Es findet eine wechselseitige Beeinflussung von Zentralnervensystem, Psyche und Immunsystem statt. Wenn wir über Gesundheit sprechen, dann sollten wir im Fokus behalten, dass wir bio-psycho-soziale Wesen sind. Körper, Geist und Seele sollten gleichermaßen betrachtet werden.
Die WHO hat sich dabei auf folgende Definition von Gesundheit geeinigt: „Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.“ Spätestens jetzt sollte uns klar sein, dass Gesundheit ein Prozess, ein Balanceakt ist, weil eine „Vollkommenheit“ in allen bio-psycho-sozialen Bereichen auf Dauer ja nur schwer, wenn überhaupt, zu erreichen sein dürfte. Wir arbeiten hoffentlich täglich an unserer Lebensführung…
Als Erwachsene sind wir mehr oder weniger damit beschäftigt, eine gute Balance zwischen allen Bereichen zu finden. Wir sind – auf den Punkt gebracht - selbst für unsere bio-psycho-soziale Gesundheit verantwortlich… nicht die Mama, der Papa, die Frau oder der Mann… der Nachbar, Hund und/oder Katze… Man kann nur selbst spüren, was man braucht oder nicht braucht, ob z.B. der Körper von etwas zu viel oder zu wenig hat, hungrig, durstig, abgespannt, etc. ist – dann gilt es, eine Entscheidung für oder gegen etwas zu treffen. Für diese Entscheidung und deren Konsequenzen, im positiven und negativen, ist jeder selbst verantwortlich. Das wollen viele gerne vergessen und andere dafür verantwortlich machen.
Andere können aber nicht in einen hineinsehen, sie sind vielmehr auf die Rückmeldung angewiesen. Viele bringen den Mut nicht auf, Rückmeldungen hinsichtlich ihrer Gefühle, Bedürfnisse, etc. zu geben, weil sie Angst vor Erniedrigung und Ablehnung haben. Aber jetzt mal ehrlich gefragt: Was haben wir von Menschen, die nur ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche erfüllt haben wollen und andere dann ablehnen, wenn die mal etwas brauchen?
Gerade die positive oder negative Reaktion auf Rückmeldungen wäre ein Auslöser, eine neue Wahl zu treffen – den Umgang mit der Person fortzusetzen, daran zu arbeiten oder diesen zu beenden. Wenn ich eine Person nur dann zu lieben/mögen imstande bin, wenn diese alles tut und denkt, was ich will und andernfalls nicht, dann fällt das meiner Meinung nach fast schon unter Missbrauch. Liebe, oder jemanden wahrhaftig zu mögen ist, wenn man will, dass der andere glücklich ist. So sollte das Zwischenmenschliche ablaufen, dann wäre man auch offen für Rückmeldungen und Verfeinerungen bzw. Verbesserungen der jeweiligen Verhaltensweisen.
Man kann auch nur selbst spüren, ob bestimmte Menschen oder Gruppen bzw. deren Denken, Verhalten und Erwartungen, etc. gut für uns sind oder nicht. Gesundheit hat schließlich Prozesscharakter und ist in diesem Sinne das Ergebnis einer entsprechenden Auseinandersetzung mit Belastungen und Anforderungen auf physischer und psychosozialer Ebene.
Wir dürfen uns für unsere Gesundheit im Tun und Lassen, genauer, im Zu-, Weg- und Loslassen von Dingen, Stoffen und Menschen üben und lernen auf die eigenen Grenzen zu achten und unseren Mitmenschen gestatten, dies ebenfalls zu tun. Als Mensch dürfte es einem niemals langweilig werden, weil´s so viel zu lernen gibt.
Immunsystem stärken, ja klar aber wie?
ok - dass man Vit. C , Zink, Vit D nehmen sollte hat sich schon herumgesprochen, gibt es eine Art "Körperpflege" für das Immunsystem?
Das Einfachste wäre ein Rezept von besonderen Tabletten oder Tropfen, mit deren Einnahme alles erledigt sein sollte. Diese Maßnahme, oder beispielsweise eine Impfung, soll dann unser Immunsystem ausreichend stärken und dazu führen, dass wir dauerhaft gesund und kraftvoll bleiben. Zum Gesundsein gehört, wie schon erwähnt, noch ein bisschen mehr dazu und hier trägt jeder Erwachsene für die Gesundheit seines „bio-psycho-sozialen Wesens“ die Verantwortung selbst.
Lass uns mit dem Körper beginnen: Hier spielen Faktoren eine Rolle, wie z.B. das Ausgleichen von Mangel- oder Sättigungszuständen, was über ein großes Blutbild ersichtlich werden kann. Eine ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung mit ausreichend Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, etc. ist nur eine Seite der Medaille. Der achtsame Umgang mit dem eigenen Körper und seinen Bedürfnissen - wie ausreichend Wasser zu trinken, ausreichend zu schlafen, Bewegungsmängel und schlechte Gewohnheiten auszugleichen - d. h. physische und psychische, sollte als Lebensphilosophie betrachtet werden.
Bei Stress hilft nahezu jede Form der Bewegung bzw. Kräftigung der Muskulatur, was beispielsweise durch ein gutes Krafttraining geschehen kann. Die Muskelzellen sorgen für einen raschen Abbau von Stresshormonen, welche eine hemmende Funktion auf das Immunsystem haben. In Stresssituationen steigt nämlich der Cortisol-Spiegel und der Anteil eines Proteins namens lgA wird schwächer. Das lgA kämpft gegen Viren, Bakterien und sonstige schädliche Organismen und soll für das innere Abwehrsystem des Körpers verantwortlich sein.
Einige Leute wissen nicht, dass Einstellungen, Erwartungen, positive und negative Glaubenssätze, etc. Auswirkungen auf den Körper bzw. das Immunsystem haben. Unser Körper produziert entsprechend unseren „Bildern“ im Kopf bestimmte Botenstoffmischungen, die Einfluss auf unser Wohlbefinden haben. Chronisches Schwarzmalen soll in etwa so schädlich für den Körper sein, wie der Konsum von ca. 50 Zigaretten täglich, wie Martin Seligman, ein Pionier der Positiven Psychologie, es formuliert hat.
Hingegen beeinflussen andere psychische Faktoren, wie eine optimistische Lebenseinstellung, ein hohes Selbstwertgefühl und ein gutes soziales Miteinander unser Immunsystem positiv. Wohlwollende soziale Kontakte und die eine oder andere Unterstützung geben uns das Gefühl der Annahme und Anerkennung, fördern das Selbstbewusstsein, das Sicherheitsgefühl und das Gefühl dazuzugehören.
Am besten gehören wir zu einer humor- und verständnisvollen Gruppe, denn Studien belegen, dass Lachen die Aktivität der Abwehrzellen des Immunsystems signifikant verstärkt. Lachen entspannt und baut Stresshormone ab. Aufrichtig lachende Menschen sind wahrlich heilsam für sich selbst und andere. Dadurch wird es oft sogar möglich, einen problematischen Alltag von einem ganz neuen Standpunkt aus zu betrachten. Kräfte und Energien können mobilisiert werden, von denen so manch einer gar nicht wusste, dass er über diese verfügt.
Besonders in dieser Zeit müssten verstärkt Optimismus- und Resilienz-Trainings angeboten werden…
Begegnen wir uns als Gesellschaft noch auf Augenhöhe, oder driften wir hier ab?
Leute, die ihren Mitmenschen gerne auf Augenhöhe begegnen, verfügen meistens über ein gesundes Selbstwertgefühl. Sie halten es aus, wenn ein anderer Mensch eine andere Meinung hat und damit auch andere Erfahrungen macht, meist in entsprechenden Peergroups. Wie schon erwähnt, erleben Menschen mit einem guten Selbstwertgefühl andere Sichtweisen nicht als Gefahr, sondern als Erweiterung des Horizontes. Wir haben die Wahl, ob wir etwas so oder anders machen. Schade, dass manche Menschen andere nur schätzen können, wenn sie genau gleich denken oder handeln, wie sie es selbst tun würden…
Gerade in Informations-Flut-Zeiten wie diesen benötigen wir größtmögliche Zuwendung und Sicherheiten und keine Täter-Opfer-Spiele bzw. -Kommunikationen, wie z. B. „Du Fehlinformationsopfer!“ Was hier lustig klingt birgt jede Menge Sprengstoff, denn falsch informiert ist nämlich immer der, der eine andere Meinung hat. Die Leute wollen sich gegenseitig schützen. Der eine meint, dass eine Impfung mehr schadet als nutzt und der andere, dass die Impfung heilt, schützt und man ohne eine solche dem Untergang geweiht sei. Eine Pattsituation mit einem breiten Wirkungsspektrum.
Vielleicht ist es jetzt an der Zeit aus solchen „Spielen“ auszusteigen und sich – im positivsten Sinne – zurückzunehmen, um sich wichtigeren Dingen zu widmen.
Aus allem lässt sich etwas lernen – wie es geht und auch, wie es nicht geht. Die Zeit wird es zeigen. Das ist das Wesen der Evolution und funktioniert im Individuellen sowie im Gesellschaftlichen. In Wahrheit will jeder Mensch glücklich und richtig sein, Anerkennung, Wertschätzung und Liebe empfangen. Wir haben somit tatsächlich mehr gemeinsam als uns trennt.
Es ist im Grunde oftmals nur die Angst, mit seinen Sichtweisen und Bedürfnissen nicht akzeptiert zu werden. Vielleicht ist es an dieser Stelle nützlich zu wissen, dass ein Wesen nicht seine Einstellungen, Glaubensüberzeugungen und Verhaltensweisen IST, sondern, dass er jene aus dem umfassenden Informationsangebot nur vorübergehend wählt. Diese erscheinen ihm momentan in der jeweiligen Form am (lern-)nützlichsten, sonst würde er diese Wahl nicht treffen. Das Wesen selbst ist im Grunde jederzeit frei, eine neue Wahl zu treffen, wenn es begriffen hat, was ihm selbst und anderen besser bekommen könnte.
Einstellungen, Überzeugungen und Verhaltensweisen wirken auf unterschiedlichste Weisen ins Individuum nach innen und ins äußere Umfeld und sollen und dürfen bei Bedarf auch kritisiert werden, niemals aber der Mensch selbst – der im Grunde die Wahl hat, jeden Augenblick eine neue Entscheidung zu treffen. Das gelingt jedoch nur, wenn man den Menschen nicht mit seinen Gedanken, Taten und Handlungen gleichsetzt. Die Würde des Menschen soll unangetastet bleiben.
Wenn uns das immer besser gelingen könnte, wäre ein Meilenstein in guter Kommunikation erreicht.
29. Oktober 2020
Verfasserinnen und Texte: Miriam Kastlunger und Elena Zuenelli
Feedback zweier Teilnehmerinnen zum Aufnahmeverfahren "Vorbereitungskurs zur Eignungsprüfung (Deutscher Masseur)"
Miriam Kastlunger, OLY:
„Vorab ein Online-Aufnahmegespräch war anfangs neu und ungewöhnlich für viele von uns, jedoch für mich eine sehr willkommene und individuelle Strategie bei einer Vielzahl von Anmeldungen nicht einfach auszusortieren sondern die passenden Menschen für diese Ausbildung auszuwählen.
Der anschließend schriftliche und praktische Test brachte manch klassische Übungen jedoch auch sehr berufsspezifische Anforderungen mit sich.
Für mich persönlich war diese Art ein Aufnahmeverfahren zu gestalten super gelöst. Es kam viel auf Persönlichkeit, Auftreten und Gefühl im Umgang mit Patienten an. Meiner Meinung nach essentielle Bestandteile des Praxislebens.“
Elena Zuenelli:
Ein zweiter Anlauf...
Die Aufregung war groß als es hieß, man könne an der Aufnahmeprüfung für den Vorbereitungskurs zur Eignungsprüfung (Deutscher Masseur) noch teilnehmen. Keine zwei Wochen mit dem Heilmasseur fertig, ging es nach Innsbruck zur eufag, um da mein Glück zu versuchen.
Diese Ausbildung zur Physiotherapeutin ist seit ich denken kann mein größter Traum und man hörte von allen Seiten nur Gutes von Bad Birnbach, deswegen war die Entscheidung des Wohin schnell getroffen.
Schon am Weg nach Innsbruck wuchs die Anspannung und wurde auch während den verschiedenen Prüfungen nicht wirklich besser. Ich fühlte mich wahnsinnig unsicher und merkte, dass mir gründliche Vorbereitung die fehlende Sicherheit gegeben hätte. Die anderen Teilnehmer waren viel gelassener und selbstsicherer und gingen mit Ruhe und genügend Konzentration hinein und gaben ihr Bestes.
Mit dem Ende des letzten Aufgabenteiles wurde mir endgültig bewusst, dass dieser Versuch daneben gegangen war.
Nach einigen Tagen voll letzter Hoffnung kam dann auch, wie erwartet, die Absage.
Zuerst wollte ich das Thema Physiotherapie damit abhaken und mich in andere Richtung orientieren, wurde aber glücklicherweise von verschiedenen Seiten ermutigt, erstmal abzuwarten und es dann erneut zu probieren.
Gesagt getan, ging diesen Februar die Bewerbung erneut an die eufag und ich bereitete mich dieses Mal mit neuer Motivation auf die Aufnahmeprüfung vor. Das Wichtigste ist, Vertrauen in sich selbst zu haben. Wenn man sich sicher ist und sein Ziel klar vor Augen hat, ist der Rest nur noch eine Frage der Zeit.
Ich habe mich anfangs fast geschämt keinen Platz bekommen zu haben und war zu stolz diese Energie erneut aufzubringen. Da ich auch die Heilmasseur Prüfung doppelt ablegen musste, war meine Prüfungsangst nicht förderlich für diese Herausforderung.
Aus heutiger Sicht bin ich wirklich froh, dass ich nicht beim ersten Anlauf genommen wurde, ansonsten hätte ich niemals gelernt mit solch einer Situation und dem damit verbundenen Rückschlag umzugehen. Schon das Gefühl nach dem ersten Gespräch, Covid 19 bedingt online, war viel positiver als im Jahr zuvor. Dies setzte sich glücklicherweise auch bei der restlichen Prüfungsteilen fort und ich ging für mich mit der Zufriedenheit hinaus, dass ich mein Bestes gegeben hatte. Als dann endlich das erfreuliche Ergebnis da war, dass ich dieses Jahr einen Ausbildungsplatz erhalten hatte, wusste ich nicht mehr wohin mit meiner Euphorie und Dankbarkeit. Ich kann wirklich nur jedem an’s Herz legen sich von einer Absage nicht abschrecken zu lassen und es gegebenenfalls erneut zu versuchen.
Die Freude danach ist den Nervenkitzel zuvor mehr als nur wert. Gebt alles, außer auf!
19. Oktober 2020
Verfasser: Werner Schallhart
Text: Romy Schnaubelt
Vorbereitungslehrgang zur Eignungsprüufng (Deutschen Masseur)
ZWISCHENBILANZ
10 Jahre! So lange bieten wir, die eufag einen alternativen Zugangsweg zu einem der begehrten Physioausbildungsplätze für Österreicher an.
Mein Herz klopft! Ich lege auf! Schaue abwesend zum Fenster hinaus und höre den Satz in meinem Kopf nachhallen: „Sie werden von unserem Anwalt hören!“ Eine Mutter hat ihn mir gerade durchs Telefon gebrüllt, erzürnt und außer sich. Weil ihre Tochter in diesem Jahr nicht zum Zug kam einen der begehrten Ausbildungsplätze zu erhalten.
Ich weiss noch genau, wie sich 2008 für mich der Gedanke anfühlte, einer von mehr als 600 Bewerbern zu sein auf einen von 24 Studienplätze zum Physiotherapeuten. Und sollte ich das unfassbare Glück haben, tatsächlich genommen zu werden, würde das 3 Jahre Ausbildung bedeuten. Alles, was ich aus meinem bisherigen Berufsleben als ausgebildeter Heilmasseur mitbringe, bliebe unberücksichtigt, fast nichts davon würde anerkannt werden. Ich würde noch einmal ganz von vorn beginnen müssen und das mit meinem Alter.
Etwas in mir sagte damals „Nein“ dazu, aber der Wunsch, Physio zu werden, blieb.
Meine Matura habe ich nachgeholt. Masseur wollte ich werden. Später noch Heilmasseur und noch viel später arbeitete ich als Lehrer für Masseure an der Eurak. Dort entstand meine Freundschaft mit Stefan, damals wie heute, Leiter der Massageausbildung im AZW.
Vor über zwölf Jahren sprachen wir knapp 2 Flaschen Wein lang auf seinem Balkon über meinen Wunsch, jetzt noch Pysio zu werden und die minimal realistischen Möglichkeiten, das in Österreich zu realisieren. Immer wieder pendelten unsere Gedanken zwischen „Es muss doch einen Weg geben!“ und „Wie könnte es denn gehen?“
Wir haben es einfach gewagt und angefangen, eine Idee umzusetzen. Eine solche Möglichkeit zu schaffen, die von der Nostrifizierungsstelle des zuständigen Ministeriums in Wien nostrifiziert ist. Und später durch einen gemeinnützigen Verein angeboten wird, um mehr Menschen einen alternativen Zugangsweg zur Physiotherapieausbildung zu ermöglichen.
Die Aussicht, Chancen auf Veränderung und Wachstum zu ermöglichen, hat uns die ganzen zwei Jahre durch Höhen und Tiefen getragen. Ungezählte Arbeitsstunden, Geld, Recherchen und viele Verhandlungen mit den Ämtern und Behörden später haben wir es geschafft: In Bad Birnbach (Deutschland) wird 2010 erstmals das Modul „Vorbereitungskurs zum Deutschen Masseur“ angeboten. Das mit der Zertifizierung war uns wichtig. Damit es keine Komplikationen mit der Anerkennung gibt musste der Lehrplan wasserdicht sein. Ich weiss nicht mehr genau, wieviele Runden wir dafür mit der juristischen Abteilung des zuständigen Mininsteriums gedreht haben. Aber irgendwann sind wir tatsächlich am Ziel: Die eufag ist Kooperationspartner der VPT Berufsfachschule Niederbayern (Deutschland) und ermöglicht jedes Jahr 20 österreichischen MasseurInnen einen alterativen Weg zum Physio an der VPT-Berufsschule für Massage und Physiotherapie in Deutschland. Zertifiziert und anerkannt durch die Nostrifizierungsstelle in Wien.
Wir machen das seitdem kostendeckend, ohne Gewinn. In den ersten Jahren hatten wir in etwa so viele Bewerber wie wir Plätze vergeben konnten. Das hat sich verändert. Einerseits ist die Nachfrage stetig größer geworden. 33 in diesem Jahr. Andererseits wurde die vormals rein private Schule Bad Birnbach vor zwei Jahren ein öffentliches Ausbildungszentrum. Die Deutschen wollen ihre von deutschen Steuergeldern finanzierten Plätze verständlicherweise lieber an Deutsche vergeben. Wie viele Gespräche haben wir geführt, bis klar war: Wir dürfen weiterhin Kooperationspartner sein, auch wenn unser Kontingent an Plätzen auf 15 gesunken ist.
Das Telefon klingelt und reißt mich aus meiner Gedankenreise durch die letzten zwölf Jahre. „Wollen wir was essen gehen?“ fragt Stefan am anderen Ende. Mir fällt wieder die aufgebrachte Mutter ein. „Du kommst wie gerufen, voll gern!“ Seufzend macht sich etwas in mir Luft und ich lege auf.
Auf der Fahrt zum Essen mit meinem Freund Stefan denke ich an Afrika. Ich war oft und lange dort. Bilder huschen durch meine Erinnerung, Gespräche… Ich erinnere mich an eine Begegnung: „Was uns wirklich weiterbringt, ist weniger der Brunnen, der gebaut wird, es ist Bildung. Zugang zu Bildung zu haben ist großartig, es verändert alles! Dieser Zugang ist nicht selbstverständlich.“
„Ich bin hin und her gerissen“ sage ich zu Stefan. „Einerseits vergeben wir Chancen und ermöglichen damit Veränderungen, die sonst vielleicht nicht möglich wären. Das ist großartig. Und wir müssen irgendwie eine Auswahl treffen unter den Bewerbern, es sind einfach zu viele. Dieses auswählen finde ich auch schwierig, manchmal fühle ich mich richtig schlecht.“ Meine Nudeln stehen unberührt vor mir. „Dieses Jahr war es heftig, Leute sind ziemlich aggressiv. Vielleicht auch wegen der Corona Situation. Aber vielleicht auch, weil sie es irgendwie als selbstverständlich nehmen, alle Möglichkeiten angeboten zu bekommen. Mir wurde mit dem Anwalt gedroht. Wir würden angeblich Menschen Wege verbauen.“ Meine Nudeln werden kalt. „Vielleicht sollten wir aufhören.“
Stefan schluckt. Einmal an der Stelle mit dem Anwalt und ein zweites mal an der Stelle mit dem aufhören. „Ja,“ sagt er dann „das ist echt heftig“. Aber mal nüchtern betrachtet: Bei uns liegt die Chance auf so einen Platz bei ungefähr 25%. An der FH bei 2,5%!“ Er macht eine Pause. „Wir verbauen niemandem etwas, diese Option in Bad Birnbach gibt es überhaupt nur, weil es uns wichtig war sie zu schaffen, weil wir zwei Jahre für diese Idee geackert haben - mit ungewissem Ausgang damals. Du wolltest ja nicht nur selbst Physio werden, sondern etwas ermöglichen, was vorher nicht möglich war, auch für die, denen sonst vielleicht nicht mehr alles offen steht. Über 250 Leuten haben wir bis heute ermöglicht, ihren Traum zu erfüllen. Die würden dann auch leer ausgehen.“
Ich atme noch einmal seufzend aus und nicke stumm. Er hat Recht, aber es fühlt sich gerade trotzdem nicht gut an.
„Ich hab noch einen guten Rotwein im Keller“ setzt Stefan nach. „Wie wärs damit auf meinem Balkon?“